Energetische Sanierung wird zu wichtigem Wirtschaftsfaktor
Intelligente Gebäudetechnik gegen Klimawandel

Das Thema Energiekostensenkung steht in allen wirtschaftlichen wie auch privaten Bereichen an oberster Stelle der ‚To Do‘-Listen. Triebkräfte für das wachsende Energiebewusstsein sind stark steigende Energiepreise, die allgemeine Diskussion über den Klimaschutz sowie die daraus resultierenden politischen Zielsetzungen. Diese führten zu zahlreichen neuen bzw. verschärften Energieeinspar- und Umweltbestimmungen, die nun umgesetzt werden müssen.

Rund 41% des globalen Energiebedarfs bzw. 21% der globalen Treibhausgasemissionen entfallen auf die Versorgung von Gebäuden mit Wärme und Strom. Verstärkt wird der Bedarf an Energie für Gebäude durch den weltweiten Trend zur Urbanisierung, der zu einer wachsenden Anzahl an Megastädten mit zehn Millionen Einwohnern und mehr führt. Überlagert wird der Trend zur Verstädterung vom Megatrend ‚demografischer Wandel‘ mit einer weltweiten Erhöhung des durchschnittlichen Lebensalters. Demoskopen gehen davon aus, dass bei der anteilsmäßig wachsenden älteren Bevölkerung – insbesondere in den westlichen Ländern – die Bereitschaft zu Investitionen in die Wohngebäudemodernisierung zurückgehen wird, zumal der Fokus der sogenannten ‚Best Agers‘ eher im Konsum und nicht in langfristig wirkenden Energiesparmaßnahmen liegt. Hinzu kommt, dass ältere Personen oft die gleiche Wohnfläche bewohnen wie ehemals die ganze Familie. Für den Gebäudebereich könnte dieses altersbedingte Verhaltensmuster bedeuten, dass Gebäudeenergieeffizienzmaßnahmen im Bereich Nichtwohngebäude eine größere Bedeutung erhalten, um die politischen Klimaschutzziele zu erreichen, quasi zur Kompensation.

Größtes Einsparpotenzial bei öffentlichen Gebäuden

Nach wie vor befinden sich viele Liegenschaften in Deutschland im Besitz von Bund, Ländern und Gemeinden. Aufgrund der Haushaltslage und des damit zusammenhängenden Investitionsstaus wird diesem Gebäudesegment ein großes Energieeffizienzsteigerungspotenzial beigemessen. So benötigen die rund 186.000 öffentlichen Liegenschaften – Stand 2005 – ca. 58.200GWh pro Jahr an Wärme und Strom in Höhe von 3,6Mrd.e (Quelle dena/Prognos 2006). Die aktuellen Energiepreissteigerungen belasten deshalb die Budgets der öffentlichen Hand in besonderem Maße. Besonders prekär ist die Energiekostenentwicklung für die rund 2.200 Krankenhäuser in Deutschland. Die durchschnittlichen Jahresenergiekosten pro Krankenbett erreichen inzwischen rund 3.200e mit weiter steigender Tendenz. Nachhaltige Energiekostenreduzierungen durch Effizienz- und Modernisierungsmaßnahmen sind dort wegen der verschärften Wettbewerbssituation und der Reform des Gesundheitswesens kaum mehr aus den laufenden Etats zu finanzieren. Deshalb gelten Finanzierungslösungen wie Energiespar-Contracting oder Private Public Partnership (PPP) für Krankenhäuser als verwaltungstechnisch wie auch wirtschaftlich akzeptabler Weg aus der Finanzklemme. Nach einer Studie der Prognos AG im Auftrag der Deutschen Energie-Agentur ‚dena‘ lohnt es sich heute schon aus rein wirtschaftlichen Überlegungen, rund 38.000 öffentliche Liegenschaften energetisch zu sanieren. Im Durchschnitt sind damit Energiekostenreduzierungen von 25 bis 30% realisierbar, wobei von Energieeinsparpotenzialen zwischen 30 und 40% auszugehen ist. Für die energetische Sanierung dieser Gebäude müsste die öffentliche Hand rund 1,95Mrd.e pro Jahr aufwenden, eine Investition, die meist nicht aus den laufenden Haushalten aufgebracht werden kann. Dem Finanzierungs- und Modernisierungskonzept Energiespar-Contrac-ting kommt deshalb bei der energetischen Sanierung des Gebäudebestandes der öffentlichen Hand eine tragende Rolle zu. Nach Berechnungen der dena könnten Bund, Länder und Kommunen ihre Energiekosten durch Energiespar-Contracting bis 2016 um bis zu 300Mio.e pro Jahr senken. Geht man von weiter steigenden Energiepreisen aus, würde sich Energiespar-Contracting in den nächsten Jahren für weitere rund 18.000 Liegenschaften lohnen, was einem wirtschaftlichen Investitionspotenzial von etwa 900Mio.e pro Jahr entspricht, so die Prognos/dena-Studie.

EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie verlangt regelmäßigen Energiecheck

Die meisten der in den letzten beiden Jahrzehnten errichteten Gebäude wurden weitgehend unter Energiespargesichtspunkten gebaut – nicht selten wurden dabei die damals gültigen gesetzlichen Vorgaben übererfüllt. Dennoch stellen sich bei vielen Gebäuden die prognostizierten Einsparungen nicht ein. Dies hängt einmal damit zusammen, dass zwischen den Nutzungsvorgaben an Planer und Architekten und der tatsächlichen Nutzung durch Mieter oder Eigentümer oft gravierende Unterschiede bestehen, die bei der Einregulierung bzw. Inbetriebnahme der Anlagen nicht ausreichend berücksichtigt wurden bzw. nicht mehr berücksichtigt werden konnten. Wenn dann noch die Anlagen sich selbst überlassen werden, das heißt, der Betreiber sie nicht aktiv bewirtschaftet, Soll-Werte und Führungsgrößen nicht korrigiert und Energieverbräuche nicht dokumentiert und auswertet, muss er damit rechnen, dass sein Gebäude die doppelte bis dreifache Menge an Energie gegenüber den Auslegungsbedingungen konsumiert. So gesehen besteht bei fast jeder Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlage, aber auch bei Kältezentralen und BHKW ein vergleichsweise großes Energiesparpotenzial durch nachträgliche Optimierungen. Die Erfahrungen zeigen: Allein durch die Nachjustierung von Soll-Werten, einen nochmaligen hydraulischen Abgleich sowie eine am tatsächlichen Bedarf orientierte Betriebsweise lassen sich leicht 15 bis 25%, im Einzelfall bis 40% des gesamten Gebäudeenergieverbrauchs einsparen.

Die fünf wichtigsten Optimierungsschwerpunkte

Aufgrund der Erfahrungen von Siemens mit Energiespar-Contracting-Projekten haben sich folgende fünf Optimierungsschwerpunkte herauskristallisiert
– Ersatz von energieeffizienten Produkten und Applikationen mit höchsten Wirkungsgraden, zum Beispiel hocheffiziente drehzahlgeregelte Umwälzpumpen und Eubac-zertifizierte Regler (Controller)
– Neudimensionierung von Wärme-/Käl-teerzeugern sowie der Verteilung: Das Gros des Anlagenbestandes gilt als überdimensioniert, auch die Leitungsnetze. Durch Downsizing erhält man effizientere, schnell reagierende Systeme
– Bedarfsprofile aufstellen, um gegebenenfalls. die Höchstlast zu kappen. Jede energetische Sanierung sollte auch eine Neubewertung der Tarife beinhalten
– Kontrolle der Verbräuche: Der Spruch „Energiesparen ohne zu messen kann man vergessen“ trifft den Kern des Problems am besten.
– Erstellen einer Energiesignatur: Aus der Dokumentation des spezifischen Wärmeenergieverbrauchs über der Außentemperatur lässt sich beispielsweise ablesen, ob die Heizungsanlage richtig eingestellt ist und der Energieverbrauch innerhalb der zulässigen Erwartung liegt.
– Nutzerverhalten beeinflussen: Damit lässt sich ein relativ hohes Energieeinsparpotenzial erschließen; jedoch ist es eine sehr ambitionierte Aufgabe, einen durch Nutzermotivation erreichten hohen Standard über längere Zeit auch zu halten. Sinnvoll ist es, möglichst viele „menschliche Schwachstellen“ mit nutzergerechten Regelungskonzepten zu kompensieren, z. B. durch präsenz- und bedarfsgeführte Einzelraumregler für Heizung, Klima, Lüftung, Beleuchtung und Sonnenschutz.
Bei allem Engagement darf man jedoch nicht vergessen, dass sich die Energieeffizienz in Gebäuden nicht beliebig steigern lässt. Wichtig ist, die Wechselbeziehung zwischen energiesparendem Anlagenbetrieb, Komfort und Produktivität eines Arbeitsplatzes im Auge zu behalten.

Unterstützung durch professionelle Energie-Dienstleister

Mit dem punktuellen Einbau von Hocheffizienz-Produkten lässt sich jedoch die Performance eines Gebäudes nur bedingt verbessern. Synergien entstehen nur dann, wenn aufeinander abgestimmte Hocheffizienzkomponenten optimal zusammenwirken und dieses Zusammenspiel im Rahmen eines Energiemanagements stetig überwacht und auf Schwachstellen überprüft wird. In den meisten Gebäuden sind die Grundstrukturen für ein Energiemanagement in Form eines Gebäudeautomationssystems bereits vorhanden. Allerdings weiß man auch, dass die meisten Gebäudebetreiber nur einen Bruchteil der Möglichkeiten ihrer Gebäudeautomation auch wirklich nutzen. Vielfach fehlt es an ausgebildetem Personal oder an einem Update (Migration) für die in die Jahre gekommene Technik. Deshalb werden künftig sogenannte Remote Monitoring & Coaching Services, also die Fernüberwachung gebäudetechnischer Anlagen und das Training des Personals vor Ort an Bedeutung gewinnen, zumal auch die aktuelle EnEV die periodische Überprüfung des Energieverbrauchs sowie wichtiger Anlagenparameter vorschreibt. Vor dem Hintergrund der Vorgaben der EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie sowie der Erwartung weiter steigender Energiepreise hat die Division Building Technologies innerhalb des Siemens-Sektors Industrie deshalb seinen klassischen und seit Jahren bewährten Vor-Ort-Service (Inspektion, Funktionskontrolle, Softwarepflege, Migration) durch den Remote-Service ‚Advantage Gebäudeperformance-Optimierung‘, kurz GPO-Service, weiter ausgebaut. Kundenanlagen können vom Remote-Leitstand AOC (Advantage Operation Center) aus nicht nur überwacht, sondern in Zusammenarbeit mit dem technischen Personal des Kunden auch optimiert und auf den neuesten Stand gebracht bzw. gehalten werden. Ziel des GPO-Service ist es, die Effizienz der Anlagen bis zu einem Optimum zu steigern. Durch die aktive Unterstützung des Kunden vor Ort durch den AOC-Energieexperten (Operator) erfolgt außerdem ein nachhaltiger Know-how-Transfer zum Kunden. Der Zugriff auf Kundendaten erfolgt über das Energie-Monitoring-System EMC und die Web-basierende Fernzugriffsplattform Central Remote Server (CRS). In der Verbindung mit den bereits vorhandenen Advantage Classic Services und einer kontinuierlichen Produkt- bzw. Systemmigration entsteht ein lückenloses Serviceangebot, das einen effizienten Gebäudebetrieb über den gesamten Lebenszyklus sicherstellt.

Integrierte Lösungen aus einer Hand

Wer heute beim Bau einer Immobilie von Beginn an auf Nachhaltigkeit und Energieeffizienz setzt und sich nicht nur auf möglichst niedrige Investitionskosten für Planung und Errichtung konzentriert, kommt künftig an einer integrierten Lösung bei den gebäudetechnischen Anlagen nicht vorbei. Bekanntlich entfallen nur etwa 20% der Lebenszykluskosten eines Gebäudes auf die Projektentwicklung und den Bau, aber 80% auf die Nutzung und Endverwertung. Schon heute liegt der Anteil der Energiekosten an den Betriebskosten eines Gebäudes bei rund 50%, mit weiter steigender Tendenz. Eine der Ursachen der hohen Energiekosten während der Nutzungsphase eines Gebäudes ist das Nutzer-Investor-Dilemma, also die getrennte Verantwortung für Betrieb und Bau bzw. Investition eines Gebäudes. Hinzu kommt ein ausgeprägter Gewerkeegoismus, der viele der möglichen gewerkeübergreifenden Energieeffizienzmaßnahmen behindert, wenn nicht gar vereitelt. Fachleute fordern deshalb eine vom Gesetzgeber abgesicherte gewerkeübergreifende Gebäudeplanung, die eine Lebenszyklusbetrachtung der gebäudetechnischen Anlagen mit einschließt. Siemens bietet seit einiger Zeit unter dem Begriff ‚Total Building Solutions‘ (TBS) hierfür eine Lösung an, die die Planung, den Bau und den Betrieb eines Gebäudes bis hin zum Rückbau oder zur Umnutzung betrachtet. Das TBS-Konzept ist Teil einer von Siemens initiierten Strategie der perfekten Abstimmung sämtlicher Systeme der gebäudetechnischen Infrastruktur, also Heizung, Lüftung, Klima, Kälte, Elektrotechnik, Zutrittskontrolle, Videoüberwachung, Alarmierung, Brandmeldung und Evakuierung. Darüber hinaus lassen sich in eine TBS alle weiteren gebäudetechnischen Systeme über standardisierte Schnittstellen integrieren, beispielsweise Aufzüge und Fahrtreppen, wassertechnische Anlagen, labor- und medizintechnische Systeme sowie die Überwachung von Informations- und Kommunikationssystemen. Voraussetzung für ‚Total Building Solutions‘ ist ein integrierter Planungsansatz sowie einheitliche Kommunikationsstandards für alle Gewerke. Da es den Universalplaner für Total Building Solutions nicht gibt, ist es wichtig, dass alle an einem TBS-Projekt beteiligten Gewerkeplaner aufeinander abgestimmte Engineering Tools verwenden und ihre Daten einheitlich strukturieren. Damit kann die bisher übliche gewerkespezifische Planung vorläufig beibehalten werden. Je früher das TBS-Konzept in die Gebäudeplanung mit einbezogen wird, desto höher sind die Einsparungen. Typisch für integrierte Lösungen sind:
– niedrigere Initialisierungskosten
– verkürzte Projektlaufzeit (Planung und Bau)
– weniger planungsbedingte Störungen
– höhere Planungs- und Betriebssicherheit
– niedrigere Betriebskosten, auch durch gewerkeübergreifende Effizienzmaß­nahmen
– niedrigere Instandhaltungs- und Servicekosten
– hohe Investitionssicherheit

Mit einem TBS-Konzept wird nicht nur der Bedienkomfort verbessert und die Energieeffizienz des Gesamtsystems ‚Gebäude und Technik‘ gesteigert, sondern auch die Anlagenverfügbarkeit erhöht und das Gefahrenpotenzial gesenkt. Treibende Kraft für TBS-Lösungen sind meist die Bauherren, die ihre Gebäude in eigener Regie erstellen und sie dann auch selbst professionell betreiben. Da beim TBS alle Daten einheitlich strukturiert vorliegen, vereinfacht sich der Schritt zu einer CAFM-Bewirtschaftung ganz enorm. Das Konzept Total Building Solutions wird bei Siemens als Teil einer integrierten Gesamtlösung angesehen, die künftig auch die Bereiche Totally Integrated Power (Hoch- und Niederspannung), Totally Integrated Automation (Industrieautomation) und Totally Integrated Logistics zusammenführen kann.

Fazit

Die energetische Sanierung des Gebäudebestandes im Sektor ‚Nichtwohngebäude‘ ist für die Gebäudetechnikbranche ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Das Marktpotenzial in den kommenden zehn Jahren wird von verschiedenen Forschungsinstitutionen auf rund 20Mrd.e geschätzt. Bei Einsatz der heute zur Verfügung stehenden Hocheffizienz-Komponenten sowie gewerkeübergreifender Ansätze bei der Anlagenoptimierung sind Primärenergieeinsparungen von 20 bis 30% und höher möglich. Durch Energiespar-Contracting kann in den meisten Fällen die Refinanzierung von Effizienz- und teilweise auch Erneuerungsmaßnahmen abgedeckt werden. Mit den erweiterten Dienstleistungen wie den Remote Service ‚Gebäudeperformance-Optimierung‘ (GPO-Service) lassen sich Gebäude nachhaltig unter energetischen, wirtschaftlichen und produktiven Gesichtspunkten betreiben. Um Gebäude jedoch nachhaltig über den gesamten Lebenszyklus zu bewirtschaften bedarf es integrierter Lösungen aus einer Hand, die alle gebäudetechnischen Gewerke zu einer Total Building Solutions zusammenführen.

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