Technische Gebäudeausrüstung

Vorausschauend planen hilft den Planern

Um ein Automationssystem optimal auf die Eigenheiten einer Immobilie zuzuschneiden, ist gewerkeübergreifendes Wissen gefragt. Mängel bei Planung und Ausführung können sehr kostspielig werden und Instandhaltung zur Folge haben. TÜV Süd zeigt auf, welche Schritte Bauherren, Planer und Installateure dabei unterstützen, Gebäudeautomation effizient zu integrieren.

Mehr Nutzerkomfort, Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und Sicherheit – das soll die intelligente Vernetzung und Steuerung von technischen Anlagen wie Heizung, Lüftung und Beschattungsanlagen leisten. Doch was bedeutet das für den Einzelfall? Denn: So unterschiedlich wie die Gebäudetypen und -nutzung, so unterschiedlich sind auch die benötigten Automationssysteme. Ein Modell, das für ein Einkaufszentrum passend ist, ist nicht zwingend die richtige Wahl für ein Bürogebäude oder gar ein Wohnhaus. Bleiben die baulichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu lange ungeklärt, kann das zu Fehlern bei Planung und Ausführung führen.

Automatisierte Lüftung in einer Untertageanlage

Ein Beispiel: Ein Immobilienbetreiber hat ein neues Automationssystem für die Lüftung in eine Untertageanlage integrieren lassen. Um mögliche Gewährleistungsansprüche zu ermitteln, soll TÜV Süd das System noch vor der Endabnahme prüfen. Dabei stellten die Experten mehrere Planungs- und Ausführungsmängel fest. Vier Lüftungsanlagen für 13 Bereiche sollten von dem System automatisch gesteuert werden. Dabei handelte es sich um eine Abluftanlage sowie drei Anlagen für die Umluft, bei denen Frischluft über eine Luftklappe zugeschaltet wird. Getrocknet wird die Luft, indem sie bis zur Unterschreitung des Taupunkts gekühlt wird. Für die Befeuchtung sorgt ein externer Dampferzeuger. TÜV Süd sichtete die Anlagen und prüfte die Dokumente inklusive zugehöriger Schaltpläne. Die Anwendersoftware wurde anhand gezielter Messungen beurteilt. Es stellte sich heraus, dass die reale Umsetzung nicht in allen Teilen mit der Dokumentation übereinstimmte. Auch entsprach die Installation des Automationssystems nicht durchgängig normativen Vorgaben. Zum Teil waren zudem andere Komponenten eingebaut worden, als von Bauherren und Planern beauftragt. So hatte der Bauherr einpolige Reparaturschalter vorgesehen, um einzelne Antriebe bei Wartungsarbeiten sicher außer Betrieb setzen zu können. Die eingebauten Schalter wirkten jedoch nur auf die Steuerung, weshalb bei einer Wartung die gesamte Anlage hätte abgeschaltet werden müssen. Auch die Verkabelung war zum Teil nicht wie in den Schaltplänen umgesetzt und Provisorien wurden belassen. Zudem funktionierten sicherheitsrelevante Schaltungen nicht. Neben diesem zeigten sich weitere gefährliche Mängel: War das System bei Wartungsarbeiten auf Automatikbetrieb eingestellt, bestand die Gefahr, dass sich zur Befeuchtung der Raumluft das Dampfventil öffnete. Das hätte Dienstleister gefährden können, die an der Anlage arbeiten. Darüber hinaus zeigte die Prüfung von TÜV Süd, dass die Software der Steuerung nicht vor unbefugten Eingriffen geschützt war. Sie hätte von fachkundigen Personen beliebig abgeändert, manipuliert und jederzeit umgangen werden können. In Kombination mit der Steuerung aus der Leitwarte heraus hatte das bereits zu zwei Unfällen bei bauähnlichen Anlagen geführt. Das automatisierte Lüftungssystem war so nur nach einer Gefährdungsbeurteilung sicher zu betreiben. Das bedeutet, der Betreiber hatte zu ermitteln, welche Risiken bei Inbetriebnahme für Mitarbeiter bestehen, wie häufig diese eintreten können und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um diesen zu begegnen.

 

Leistungsanforderungen im Vorfeld klären

Um solchen Mängeln und erforderlichen Maßnahmen vorzubeugen ist entscheidend, dass die Anforderungen des Bauherrn an das künftige Automationssystem bereits in der Konzeptionsphase detailliert bestimmt werden. Das ist jedoch nicht immer der Fall. Unklare Vorgaben können dazu führen, dass die Planung und Umsetzung an den eigentlichen Zielen vorbeigehen. Daher ist es sinnvoll, dass der Bauherr frühzeitig einen Leistungskatalog in Form eines sogenannten Lastenhefts erstellt. Darin sollte beispielsweise definiert sein, ob Bewegungsmelder für Beleuchtung einzuplanen sind und ggf. auch für die Lüftungsanlagen. Sind spezielle Schalter erforderlich, wie in dem benannten Beispiel, die einpoligen Reparaturschalter? Gibt es Vorgaben, ob eine Heizungsanlage zu einer bestimmten Zeit automatisch ein- und ausgeschaltet werden soll? Sind spezielle gesetzliche Vorgaben zu beachten, wie z.B. durch die Energieeffizienzverordnung (EnEv 2016)? Und welches Budget steht für die Planung und Umsetzung und auch für den späteren Betrieb der Gebäudeautomation samt zugehöriger Anlagen zur Verfügung? Mit einer detaillierten Aufstellung in Form eines Lastenhefts bietet der Bauherr sowohl den Planern als auch den Installateuren eine fundierte Grundlage für die Wahl und Umsetzung eines passenden Automationssystems.

Normen und Richtlinien

Bei der Integration von automatisierten Anlagen sind verschiedene Normen und technische Regeln zu berücksichtigen. Doch die Praxis zeigt, dass diese oftmals nicht oder nur zum Teil angewendet werden. Zum Großteil handelt es sich um Normen für einzelne Gewerke wie Kälte-, Elektro- und Sicherheitstechnik. Diese bieten jedoch keine Informationen, um die Wechselwirkungen zwischen einzelnen Gewerken im Gesamtsystem zu beurteilen. Doch für eine effiziente Planung und Umsetzung von Gebäudeautomation braucht es eine fachübergreifende Herangehensweise, wobei zunehmend auch IT-Wissen gefordert ist. Als Leitfäden für Konzeption, Planung und Umsetzung können übergreifende Normen und Richtlinien dienen, wie die internationale Norm ‚Systeme der Gebäudeautomation‘ DIN EN ISO16484. Diese bietet konkrete Vorgaben für eine Automation von Gebäuden und zugehörigen Regelungs- und Steuersystemen. Die Richtlinie VDI3814 konkretisiert ergänzend dazu die Anforderungen für Mitteleuropa. Sie bezieht sich vor allem auf die Komponenten, die Software sowie die Dienstleistungen, das Energie- und Gebäudemanagement.

Offenes Datenprotokoll wählen

Sinnvoll ist es, bei der Wahl der Systeme und Anlagen darauf zu achten, dass diese auf einem offenen Datenprotokoll basieren. Das ermöglicht, dass einzelne Komponenten auch unterschiedlicher Hersteller miteinander kombiniert werden können. Denn: über das offene Datenprotokoll sind diese miteinander kompatibel. Die ISO16484 Teil 5 definiert beispielsweise ‚Building Automation and Control Networks‘ (BACnet) als Standard. Die Vorteile: Das Automationssystem kann so zum einen genau auf die Eigenheiten des Gebäudes zugeschnitten werden. Zum anderen kann der Betreiber selbst entscheiden, ob das System im Laufe des Lebenszyklus ggf. neu zu justieren oder nachzurüsten ist. Auch bei Wartung und Instandsetzung ist er nicht zwangsläufig an eine Herstellerfirma gebunden.

Fachübergreifend planen und ausführen

Durch die Digitalisierung wird auch die Integration der technischen Gebäudeausrüstung immer komplexer. Das erfordert zunehmend fachübergreifendes Wissen – von Bauherren, Planern und auch Installateuren. Externe Sachverständige wie TÜV Süd bringen eine vielfältige Expertise mit, um in verschiedenen Projektphasen zu unterstützen. Das beginnt bei dem Definieren von Anforderungen, dem Umsetzen normativer Vorgaben und technischer Regeln und reicht bis zur Prüfung von Planung und Ausführung.

Patrick Lützel
und Christian Bauerschmidt,
TÜV Süd Industrie Service GmbH
www.tuev-sued.de/gebaeudeautomation

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