Teil 2 der Artikelserie: Prognosen zur Isolation

Mit der Diagnostischen Isolationsprüfung trifft man präzise Aussagen über die Zukunft der Isolation. Das ermöglicht eine genaue Planung in Hinblick auf anstehende Investitionen und spart in vielen Fällen Kosten. Im ersten Teil dieser Serie gingen wir auf die Grundlagen, der von Megger entwickelten, modernen Isolationsdiagnose ein. In diesem Teil erfahren Sie, wie Sie mit Guard-Technik den Oberflächenkriechstrom und das sogenannte ‚elektrische Rauschen‘ kontrollieren, als Voraussetzung für exakte Diagnosen.
Während der Isolationsprüfung fließt Strom nicht nur durch den Isolator, er fließt auch über dessen Oberfläche (siehe Bild rechts). In günstigen Fällen ist der Oberflächenkriechstrom so gering, dass er nur wenig Auswirkung auf die Prüfergebnisse hat. Wenn jedoch Verschmutzungen oder Feuchtigkeit auf der Isolation vorhanden sind, wird der Oberflächenkriechstrom groß genug, um den Messwert des Isolationswiderstands maßgeblich zu beeinflussen. Das erzeugt möglicherweise den falschen Eindruck, dass die Isolation defekt ist. Transformator-Durchführungen und Isolatoren, die unter gefährdeten Verhältnissen verwendet werden, sind für Probleme dieser Art besonders empfänglich. Hier gibt es jedoch eine Lösung:

Der Guard-Anschluss

Eine zuverlässige Möglichkeit zur Unterscheidung zwischen wirklich defekter Isolation und Isolation, die nur der Reinigung bedarf, besteht darin, die Isolationsprüfung sachgemäß mit einem Gerät mit Guard-Anschluss durchzuführen. Um die Auswirkungen von Oberflächenkriechstrom auf einer Durchführung abzuschwächen, kann man korrekterweise einen blanken Kupferdraht oder ein leitendes Band um die Durchführung wickeln und es mit dem Guard-Anschluss am Isolationsprüfgerät verbinden. Wie im Bild oben rechts ersichtlich, wird dann der Oberflächenkriechstrom zum Guard-Anschluss abgeleitet. Der Guard-Anschluss lenkt also den Kriechstrom vom Messkreis weg. Damit beziehen sich die Messergebnisse nur noch auf den Stromfluss durch den Isolator und nicht auf den Stromfluss über dessen Oberfläche. Mit anderen Worten, das Gerät ermittelt jetzt einen echten Isolations-Messwert und vermeidet professionell falsche Rückschlüsse.

Wann kommt der Guard-Aschluss zum Einsatz?

Oberflächenverschmutzung wirkt sich mehr oder weniger immer aus. Die Schwierigkeit besteht darin, genau zu erkennen, wann welche Messung wie von Oberflächenkriechstrom beeinflusst wird. Das Beste ist es deshalb, den Guard-Anschluss obligatorisch für alle Messungen über 1kV zu verwenden und erst recht, wenn Prüfungen an ungeschützter, freiliegender Isolation durchgeführt werden. Der Guard-Anschluss wird noch wichtiger, wenn Prüfergebnisse als Teil eines vorausschauenden Instandhaltungsprogramms hochgerechnet werden. Oberflächenverschmutzung verzerrt diese Ergebnisse in der Hochrechnung überproportional. Selbst wenn diese Ergebnisse deutlich über den Mindestwerten liegen, so können sie doch niedriger sein. Und sie spiegeln vor allem auch nicht den tatsächlichen Zustand der Isolation wider. Trendkurven, so wie im ersten Teil dieser Serie beschrieben, und die aus solchen verzerrten Prüfergebnissen erstellt wurden, können folglich nur sehr schwer oder sogar falsch interpretiert werden. Das sollte man wissen, wenn man mit diagnostischer Isolationsprüfung beauftragt wurde.

Der Guard-Anschluss als diagnostisches Instrument

Der Guard-Anschluss bietet sogar noch einen weiteren wichtigen Vorteil für mehr Zuverlässigkeit bei der Überwachung des Isolationszustandes: Dazu finden zwei Prüfungen statt, einmal mit und einmal ohne Guard-Anschluss. Auf diese Weise kann der Oberflächenkriechstrom exakt bestimmt werden. Viele Geräte kann man so einstellen, dass sie den gesamten Prüfstrom anzeigen. Zieht man also den kleineren Messwert vom höheren ab, erhält man den genauen Wert für den Oberflächenkriechstrom. Diese genaue Bestimmung vermeidet zuverlässig den Extremfall, dass intakte Isolatoren oder Leitungen für teures Geld unnötig ausgetauscht werden, obwohl eine viel billigere Reinigung völlig ausgereicht hätte.

Prüfen von Transformatoren, Kabeln und Leistungsschaltern

Wenn der Isolationswiderstand zwischen den Hochspannungs- und Niederspannungswicklungen einer einzelnen Phase in einem Leistungstransformator gemessen wird, ermöglicht der Guard-Anschluss genaue Ergebnisse, obwohl die Isolatoren offensichtlich verschmutzt sind; siehe Bilder vorherige Seite unten. Den Guard-Anschluss kann man aber auch verwenden, um die Auswirkungen von Kriechstrom über den ungeschützten Enden eines Kabels sowie zwischen benachbarten Leitern zu vermeiden; das wird im Bild links oben deutlich. Der Guard-Anschluss ist auch beim Prüfen von Leistungsschaltern von großem Wert, besonders bei jenen, die im Freien installiert sind. Das Bild oben rechts zeigt die Verwendung in einer typischen Anwendung.

Das ‚elektrische Rauschen‘

Der Ausdruck ‚elektrisches Rauschen‘ beschreibt einen ganzen Bereich von elektromagnetischen Phänomenen. Dabei handelt es sich um unerwünschte, elektrische Energie, die Fehler oder Schwankungen bei Gerätemesswerten verursachen. Bei der Isolationsprüfung unter Hochspannung ist elektrisches Rauschen ein unerwünschtes AC-Signal, das den DC-Prüfstrom überlagert. Es kann beträchtliche Fehler bei den Messwerten verursachen und im schlimmsten Fall Messergebnisse unbrauchbar machen. Viele Anwender der Prüfgeräte betrachten elektrisches Rauschen als unvermeidbaren Störfaktor, mit dem man einfach leben muss; aber dass muss natürlich nicht so sein. Eine Lösung bestünde darin, die für das Rauschen verantwortliche Anlage für die Dauer der Prüfung einfach komplett abzuschalten. Das ist jedoch meist nicht möglich. Sie werden sehen, es gibt bessere Möglichkeiten.

Störfestigkeit bei Isolationsprüfgeräten

Die bei weitem beste Möglichkeit, die Störauswirkungen in Hochspannungs-Isolationsprüfungen zu verringern besteht darin, das Prüfgerät schon während der Konstruktion immun gegen das Rauschen zu machen. Das Gerät sollte so gebaut sein, dass es in jeder wahrscheinlichen Umgebung zuverlässig funktioniert, auch wenn sehr viel elektrisches Rauschen vorhanden ist. In Europa gibt es EMV-Normen. Um diese strengen Normen zu erfüllen, ist eine Bauartprüfung vorgeschrieben, damit die Übereinstimmung gemäß IEC61326-1 bestätigt werden kann. Alle elektrischen Mess-, Steuer-, Regel- und Laborgeräte müssen die EMV-Anforderungen erfüllen. Diese Norm wurde kürzlich überarbeitet und trat am Februar 2009 in einer neuen Fassung in Kraft. Isolationsprüfgeräte für den Einsatz in Schaltanlagen sollten mindestens die ‚Schwerindustrie-Grenzen‘ erfüllen, die ebenfalls in dieser Norm festgelegt sind. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass unter extremen Prüfbedingungen die vorhandenen Störwerte die in IEC61326 festgelegten Grenzen weit überschreiten können. Das ist vor allem an besonderen Stellen in Hochspannungsschaltanlagen wahrscheinlich, wo eine umfassende Erdung schwierig ist. In solchen Fällen sind weitere Vorkehrungen notwendig. Die Einfachste davon ist, besonders auf den Aufbau der Prüfkabel zu achten. Diese sollten so kurz wie möglich gehalten und möglichst nahe am Boden positioniert sein.

Abgeschirmte Prüfkabel

Abgeschirmte Prüfkabel sind die effektivste Methode, um die Auswirkungen von elektrischem Rauschen bei Hochspannungs-Isolationsmessungen zu verringern. Es ist aber unnötig, das kurze Prüfkabel abzuschirmen, das für die Erdung des Geräts verwendet wird, da es keine bedeutende Störmenge aufnimmt. Jedoch ist es sehr vorteilhaft, das stets längere Kabel, das zum Prüfobjekt führt, abzuschirmen. So werden Störströme vom Messkreis sicher abgleitet. Und gleichzeitig beseitigt dieser Guard-Anschluss auch noch den störenden Einfluss von Oberflächenkriechströmen, wie wir bereits in diesem Artikel gelesen haben. Abgeschirmte Prüfkabel, die in Verbindung mit einem Isolationsprüfgerät mit ausgereifter Guard-Technik verwendet werden, bieten also einen hohen Störschutz, solange sie den Anforderungen von IEC61326 entsprechen. Der letzte Artikel dieser Reihe betrachtet detailliert die Geräte-Störfestigkeit und andere Faktoren, die bei der Auswahl eines Hochspannungs-Isolationsprüfgeräts in Betracht gezogen werden müssen.

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