Interview Lothar Hellmann / ZVEH

 
Im Bereich Smart Home gibt es mittlerweile viele Anbieter aus den Bereichen Telekommunikation, Energieversorgung und Unterhaltungselektronik. Sehen Sie hier eine Gefahr für das Elektrohandwerk?

Nein, ich sehe da keine große Gefahr. Die E-Handwerke haben das Potenzial und die Kompetenz, sich im Wettbewerb zu behaupten. Wir besitzen Know-how und bieten persönlichen Service. Wir sind der erste Ansprechpartner vor Ort. Große Konzerne bringen mit großem Werbebudget ein noch stärkeres Bewusstsein für dieses Geschäftsfeld in die Köpfe der Menschen. Davon profitieren wir natürlich auch. Aber nur das E-Handwerk hat die übergreifende Kompetenz. Zum einen die allgemeine E-Technik einschließlich Schutzmaßnahmen und zum anderen die ITK Kompetenz, die Informationstechnik. Dies kann kein anderes Handwerk bieten. Es gab vor anderthalb Jahren eine Umfrage, in der das Handwerk als erster Ansprechpartner mit dem größten Vertrauen genannt worden ist. Hier spielen natürlich Faktoren wie Zuverlässigkeit, Garantie, Beratungskompetenz, 24h-Erreichbarkeit und ständige Weiterbildung eine herausragende Rolle.

(Bild: TeDo Verlag GmbH)

 
Der Endkunde nutzt vermehrt das Internet für die Recherche über intelligente Technik und kommt mit konkreten Wünschen zum Elektrofachmann. Es besteht ein hoher Bedarf, Beratungskompetenz aufzubauen. Wie können Elektrobetriebe diesem hohen Anspruch gerecht werden, ohne ihr Tagesgeschäft zu vernachlässigen?

Das Internet kann niemals die komplette Beratungsleistung eines Fachmanns aus dem E-Handwerk vor Ort ersetzen. E-Handwerke müssen sich darauf einstellen, ihre Beratungsleistung zu bepreisen. Eine Beratung sollte daher erst nach Erteilung eines offiziellen Auftrags erfolgen. Und Beratungskompetenz muss wie jede Qualifizierung und Weiterbildung auch in Zeiten voller Auftragsbücher ausgebaut werden. Gerade in guten konjunkturellen Zeiten müssen die Betriebe hierfür Zeit schaffen und entsprechende Qualifizierungen vornehmen. Besondere Bedeutung kommt auch dem Besuch von Regionalmessen zu, um die neuesten Marktentwicklungen zu erkennen.

 
Kaum ein anderer Bereich ist so stark geprägt von Dynamik wie die Elektrotechnik. Die Produkte und Lösungen werden immer komplexer und die Geschwindigkeit des technologischen Wandels ist hoch. Ist es aufgrund dieser Entwicklungen nicht besser für Elektrohandwerksbetriebe, nicht als Komplettanbieter aufzutreten, sondern sich zu spezialisieren?

Jeder Betrieb muss diese Entscheidung für sich treffen. Hat er das Potenzial, um als Komplettanbieter das gesamte elektrotechnische Spektrum abzudecken? Falls nein, kann er auf Kooperationsmodelle zurückgreifen, bei denen eine Firma den Gesamtauftrag annimmt und dann Teilbereiche wie EDV-Vernetzung oder Netzwerkadministration an Partnerunternehmen vergibt.

 
Die konjunkturelle Stimmung in den E-Handwerken ist deutschlandweit so gut wie nie zuvor. Aber gerade jetzt muss ein besonderes Augenmerk auf das Thema Qualifizierung gelegt werden. Bei prall gefüllten Auftragsbüchern ist das gerade bei kleinen und mittleren Betrieben ein schwieriges Unterfangen. Wie können die Betriebe diesen Spagat bewältigen?

Teilweise werden die Inhalte schon während der Ausbildung implementiert. Das heißt also, unsere Auszubildenden werden schon in KNX und anderen Technologiebereichen mit ausgebildet. Außerdem bieten unsere verbandsnahen Schulungsstätten E-Learning-Kurse an und Schulungen, die nicht unbedingt eine Präsenzzeit haben. Sie können heutzutage eine Ausbildung z.B. als Brandschutz-Experte für spezielle Brandmeldesysteme online absolvieren, bei denen anschließend das Zertifikat zugeschickt wird. Wir haben eine Schulungsstätte in unserem Bildungszentrum, in der KNX-Kurse als Abendschule angeboten werden. Der Grundkurs umfasst 40 Stunden. Er fängt z.B. um 17 Uhr an und geht bis 21 Uhr. Die Teilnehmer erhalten den entsprechenden KNX-Schein. So sind die Betriebe in der Lage, sich auch außerhalb der normalen Dienstzeit weiterzubilden.

 
In Zeiten von Fachkräftemangel besteht eine große Herausforderung darin, junge Menschen und Schulabgänger für technische und handwerkliche Berufe zu interessieren. Jugendliche werden heutzutage mit modernen Maßnahmen wie dem Internet und über die verschiedenen Social-Media-Plattformen erreicht. Doch leider sehen sich die meisten kleineren oder mittleren Ausbildungsbetriebe weder zeitlich, noch personell in der Lage, ein entsprechendes Ausbildungsmarketing zu betreiben. Bekommen die Betriebe hier Unterstützung vom ZVEH?

Ja, wir bieten den Betrieben ein sehr großes Paket. An erster Stelle ist die E-Zubis-Kampagne zu nennen, die wir nochmal intensiviert haben. Auf der dazugehörigen Facebook-Seite verzeichnen wir bereits über 50.000 Likes. Hervorzuheben ist auch die preisgekrönte Kinowerbung. Gut eingeschlagen ist auch eine Kooperation mit dem deutschen Handballbund: Trikotwerbung bei der Jugend-Nationalmannschaft. Auf der E-Zubis-Website besteht die Möglichkeit, sich ausführlich über die sieben Berufe im E-Handwerk zu informieren. Außerdem gibt es eine Internetplattform, auf der wir bundesweit nach Postleitzahlen freie Stellen für Auszubildende einstellen. Interessenten können sie anklicken und direkt Kontakt mit dem Betrieb aufnehmen. Von 2014 auf 2015 ist es uns gelungen, die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge um 4,7% zu steigern. Das darauffolgende Jahr konnten wir nochmals um 3,2% zulegen. Wir haben jetzt in den sieben Ausbildungsgängen 40.166 Auszubildende im Elektrohandwerk. Um frühzeitig Begeisterung für die E-Handwerke zu wecken, stellen wir auch Schulen diverse Unterrichtsmaterialien über die Plattform Lehrer-online zur Verfügung.

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ZVEH
www.zveh.de

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