Fassaden im Fokus


Technologien im Vormarsch

In der Zwischenzeit könnten andere vielversprechende Technologien den BIPV-Markt vorantreiben, die derzeit Marktreife erlangen. Die Dresdner Firma Heliatek z.B. hat eine organische Photovoltaik-Folie entwickelt, die sich sowohl transparent als auch getönt herstellen lässt. Undurchsichtig erreicht sie einen Wirkungsgrad von 12%, bei der lichtdurchlässigen Variante sinkt die Effizienz auf rund 7%. Das ist im Vergleich zu herkömmlichen Siliziummodulen wenig, stellt aber im Bereich der organischen Photovoltaik einen neuen Rekord dar. Außerdem lassen sich die flexiblen Folien in geschwungene Formen wie Glasdächer von Autos oder unregelmäßig geformte Fassaden einbetten. Da in Fahrzeugen und Büros in der Regel auch abdunkelnde Folien gefragt seien, gebe es keinen zusätzlichen Montageaufwand, argumentiert Heliatek-Chef Thibaud Le Séguillon. Dadurch seien wettbewerbsfähige Preise möglich. Andere Unternehmen setzen ebenfalls auf das Konzept von flexiblen und transparenten Zellen aus organischem Material. Die bayerische Firma Belectric sowie Crystalsol aus Österreich etwa arbeiten an gedruckten Polymer-Zellen. Polymere sind chemische Verbindungen aus langen Molekülketten, die in einer Lösung angereichert und anschließend gedruckt werden können. Heliatek hingegen nutzt Oligomere als Lichtsammler, also kürzere Molekülketten. Außerdem druckt es diese nicht, sondern dampft sie im Vakuum auf eine Trägerfolie auf. Derzeit betreibt Heliatek noch eine Pilotproduktion. Mit Solarfolien aus dieser Fertigung hat das Unternehmen soeben die erste Fensterfassade in Dresden errichtet. Als nächstes plant die Firma eine kommerzielle Fertigung mit 100MW Jahreskapazität.

Neues Betätigungsfeld für

Glasindustrie

Mit der BIPV könnte auch für die Glasindustrie ein wichtiges neues Betätigungsfeld entstehen. Bei den Modulproduzenten kommen Fragen auf, die sie nur in Zusammenarbeit mit der Glasbranche beantworten können: Wie lassen sich die Solarfolien in die Scheiben integrieren? Wie klappt die Integration möglichst kostensparend? Können Arbeitsschritte wie das Aufdampfen der fotoaktiven Materialien in die Glasveredelung eingebunden werden? „So richtig hat sich die BIPV noch nicht durchgesetzt. Aber es ist sicher erforderlich, dass Glas- und Photovoltaikindustrie näher zusammenrücken“, sagt Timo Feuerbach vom Forum Glastechnik im deutschen Maschinenbauverband VDMA. Die ersten Kooperationen gibt es bereits. So haben Heliatek und der in Brüssel ansässige Flachglashersteller AGC Glass Europe im vorigen Jahr eine Entwicklungsvereinbarung zur Integration von Solarfolien in Bauglas geschlossen. AGC-Technikchef Marc Van Den Neste sagt, dass die Glas-/Solar-Fassadenlösung der beiden Unternehmen Architekten und Designern völlig neue Möglichkeiten eröffne, Kreativität und Energieeffizienz miteinander zu verbinden. Nicht nur wegen der Zusammenarbeit mit Heliatek gilt AGC Europe als Wegweiser für die Glasindustrie. Seine Fabriken beherbergen eine vollintegrierte Produktion, die nicht nur die Herstellung von Glas, sondern auch dessen Beschichtung und Weiterverarbeitung umfasst. Verschiedene funktionale Beschichtungen stehen Photovoltaik-Produzenten zur Auswahl, beispielsweise elektrische Kontaktschichten für Dünnschichtmodule. Ein ähnliches solarorientiertes Konzept verfolgt sonst bisher nur die ostdeutsche Firma F-Solar. Auch sie hat ihre Produktionslinie im eigenen Haus um Beschichtungsanlagen verlängert.

Schnittstelle von Solartechnik und Glas

Auf der glasstec 2014 in Düsseldorf, der weltweit größten und internationalsten Fachmesse der Glasbranche, haben die Unternehmen vom 21. bis 24.10.2014 Gelegenheit, weitere Kooperationen anzubahnen. So kommen Experten der Solar- und Glasindustrie vom 20. bis 21.10.2014 auf der Konferenz ‚Solar meets Glass‘ zusammen, um sich über Fortschritte in der Fertigung von Solargläsern und -modulen sowie beim Material und den Kosten auszutauschen. Auch die Sonderschau ‚glass technology live‘, die vom Institut für Baukonstruktion der Universität Stuttgart organisiert wird, zielt u.a. auf die Schnittstelle von Solartechnik und Glas. Hier werden am Beispiel von großformatigen Fassaden-Mock-ups und Eins-zu-Eins-Modellen die neuesten Entwicklungen im Bereich Fassade und Energie vorgestellt, darunter Innovationen in der Photovoltaik und der Solarthermie.

‚Haus mit Biointelligenzquotient‘

Auf der ‚glass technology live‘ werden jedoch auch Projekte vorgestellt, die über reine Solaranwendungen hinausgehen. Wie z.B. das so genannte BIQ – die Abkürzung steht für ‚Haus mit Biointelligenzquotient‘. In seiner Bioreaktorfassade wachsen Algen an Glasplatten und produzieren aus Licht und Kohlendioxid Biomasse und Wärme. Die Wärme wird über Wärmetauscher den 15 Wohnungen direkt zum Heizen zur Verfügung gestellt, die Biomasse wird abgeschöpft. Aus ihr wird Biogas gewonnen, das eine Brennstoffzelle in Strom und zusätzliche Wärme umwandelt. Sämtliche benötigte Energie zur Erzeugung von Strom und Wärme entstehe aus regenerativen Quellen, fossile Brennstoffe seien nicht im Spiel, heißt es beim verantwortlichen Bauunternehmen Otto Wulff. Energieerzeugende Hausfassaden wie die des BIQ könnten eine wesentliche Rolle bei der Energiewende in Städten spielen.

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